Silber, Gold und Edelstein


Jeder erfahrene Reisende weiß, daß manche Reisen besondere Schwierigkeiten mit sich bringen können. An manchen Orten ist es besonders kalt, an anderen ist man vom Hitzschlag bedroht, an wieder anderen muß man sich vor Montezumas Rache hüten. Manchmal sind auch die Fortbewegungsmethoden selbst etwas nervenaufreibend, wie z.B. ein längerer Helikopterflug über Eisfelder an der Grönländischen Küste.

Ein Problem ganz besonderer Art ist das Mitbringen von etwas "Typischem", sei es für sich selbst, sei es für jemand Geliebten, besonders, wenn letzterer darum gebeten hat. Es gibt Orte, da geht es noch, kommt aber auch immer auf die Skrupel an. Nicht jedem fällt es leicht, aus Berlin einen Bären, oder aus Lübeck Marzipan mitzubringen. Kaum jemand, der aus Rußland ohne Kaviar zurückkommt, den jeder Kellner kiloweise in den Hosentaschen mit sich rumzutragen scheint.

In Afrika gibt es herrliche Schnitzereien, die aber auch in jedem Kaufhaus in Wuppertal zu finden sind. Und vor falschen Käufen ist man auch nie sicher. Wie viele Steinelefanten und Schildkröten und Buddhas habe ich aus China mitgebracht, in dem Glauben, sie seien aus Jade, um in Deutschland von einem Fachmann zu hören, sie seien nur aus einem jadeähnlichen, härteren Stein. Mein persönlicher Rekord war das schmucke, so farbenfrohe Kopftuch aus Samarkand oder Buchara, ich weiß nicht mehr. Es konnte nur Seide sein, so strahlte es vor sich hin, und soviel kostete es, etwa einen Monatslohn in Ösbekistan. Meine Freundin fand natürlich auf den ersten Blick den kleinen Aufnäher in der Ecke, der sagte: 100% Polyester. Ach Kastanchen, du Gute, wie lieb hast Du mich getröstet! In Alma Ata gab es früher wenigstens Textilien mit typisch kasachischem Muster, zwar abstrakt, aber in Linienführung und Flächenaufteilung an die alten skythischen Tierdarstellungen erinnernd. Und es gibt Gegenden, in denen es problematisch werden kann, weil es tatsächlich Typisches gibt. Zum Beispiel Grönland. Zunächst einmal die wunderschön stilisierten Schnitzereien aus Speckstein, die leider so teuer sind, daß man für eine einigermaßen ansehnliche Figur von Faustgröße gut 500 DM rechnen muß. Bei jedem Aufenthalt die gleiche Qual, soll ich oder nicht. Bis jetzt habe ich keine. Dann gibt es die meist aus Bein geschnitzten bösen Geister, Tupilak, die, nachdem sie mit Sperma zum Leben erweckt wurden, Feinden zugeschickt wurden, um denen zu schaden. "Furchtbar, wie kannst Du soetwas mitbringen?" fragte meine sensibelste Frau von allen. Für sie hatte ich ohnehin etwas anderes gebracht. Einem jungen Inuit-Mädchen kaufte ich einen aus Perlen aufgezogenen Halsschmuck ab. Diese Art Schmuck war mir von früheren Aufenthalten in Nord-Amerika als typischer Indianerschmuck durchaus geläufig und er hat mich nie gereizt, weil er dort in diesem typischen Folklorerahmen angeboten wurde. Aber in dem Dorf Amassalik hatte ich einfach an die Tür einer Hütte geklopft, in deren Fenster Perlenschmuck hing. Tischdeckchen und Lampenschirme aus Perlen dürften neueren Datums sein. Perlenapplikation auf Festkleidung aber hat eine alte Tradition bei den Inuit und wird meisterhaft ausgeführt. So fand ich denn auch, besagter Halsschmuck für meine Frau sei ein Prachtstück. Nun liegt er schon lange in der Schublade und wurde noch nicht einmal getragen, obwohl er an ihr sehr schön aussieht. Aber sie verträgt nur Gold. Gegen anderes ist sie allergisch. Sie ist schon eine wirkliche Zypriotin, meine Kyriaki. Dieses Volk zeichnet sich durch den Hang zu zweierlei Dingen aus: zu Suvlaki und zu handfestem, vorzuweisendem Besitz. Interessen, die darüber hinausgehen, habe ich noch nicht entdeckt. Einst zusammensitzenden hiesigen Bekannten , die höchstens mal zu einem Verwandtenbesuch in London oder Südafrika waren, habe ich mal Fotos gezeigt, wunderschöne Eislandschaften aus Grönland, Kronen islamischer Architektur aus Samarkand. Man blickte stumm drauf, gab sie ohne eine Bemerkung zurück und setzte das Gespräch über die Problematik des Erwerbs von zollfreien Wagen fort. Gibt es soetwas wie eine Inselmentalität? Nur ein zwanghafter Idealist, mit einer Phobie vor Vorurteilen, kann dies verneinen. Hier hört der Horizont jedenfalls kurz hinter dem Strand auf.

Eine mentalitätsbedingte Unfreundlichkeit gibt es sicherlich. Es braucht nicht unbedingt Völkerpsychologie, um einen Bezug herzustellen zwischen der Xenophobie, die in China anzutreffen ist und der Eigenbezeichnung Zhong Guo, eben jenes "Reich der Mitte", das alle Fremden nur als Barbaren an der Peripherie gesehen hat, vor Jahrtausenden ebenso wie heute.

Kehren wir zu Mitbringseln zurück und greifen noch einmal den Punkt auf, daß gerade Typisches auch hinderlich, zumindest als Souvenir ungeeignet sein kann. Zypern hat eine noch lebende Tradition formschöner Töpfereierzeugnisse, aber auch recht großer. In den Dörfern findet man sie noch überall, auch wenn sie heut meist nur noch Gärten und Höfe schmücken, die Pidari, riesige runde Tongefäße von etwa einem Meter im Durchmesser. Mögen sie auch noch so interessante und landestypische Andenken sein, so sind sie doch beim Flugpersonal nicht sehr beliebt. Auch kosten sie zuviel an Übergepäck und der Versuch, sie im Handgepäck an Bord zu schmuggeln, lohnt sich nicht, weil man nicht einmal durch die Tür kommt. Aber kleinere Keramik ist auch reichlich zu finden und durchaus empfehlenswert, besonders für Bastler, die sich gern mit Klebstoff betätigen.

Zu den Keramika zählen auch schön bunt bemalte Teller, manchmal keineswegs kitschig, je nach Muster. Nur, daß sie halt leider aus Griechenland kommen. Im übrigen gilt für alle Souvenirs, ob Aphrodite-Statuen oder Spitzendeckchen, immer darauf achten, ob nicht in irgendeiner Ecke "Made in Hongkong" steht.

Ziemlich sicher, daß das nicht der Fall ist, kann man bei zwei Produkten sein, den Lefkaritika und den Silberschmiedearbeiten. Bei ersteren handelt es sich um Hohlsaumstickereien, die ursprünglich aus dem Dorf Lefkara stammen, das halbwegs zwischen Nikosia und Limassol liegt und die dort heute noch zu kunsthandwerklichen Tradition in - so hat es jedenfalls den Anschein - jedem Haushalt gehört. Wer nicht dorthin kommt, findet eben jene Deckchen zu etwa den gleichen Preisen in allen Touristengegenden der Insel, auch in Nikosia, besonders konzentriert natürlich in Laiki Yitonia. Und dort bekommt man auch alle anderen Dinge, die man unter Umständen mitnehmen möchte und auch kann und darf, von den eventuell auf Taiwan hergestellten Apoll-Statuen, über künstlich auf alt getrimmte Ikonen bis hin zu diversen Silberschmiedeerzeugnissen, insbesondere Schalen. Nicht daß man bei den Ikonen besonders übers Ohr gehauen wird, das wird man als Fremder ohnehin bei allen Dingen. Die Altertümlichkeit dieser Bilder ist so deutlich künstlich, daß man damit niemanden reinlegen kann. Und "übers Ohr gehauen" ist wohl auch nicht der richtige Ausdruck, die Preise sind einfach überhöht, aber selbst Zyprioten sind nicht immer davor gefeit. So wollte eine Freundin bei einem Händler für Töpfereiwaren, den sie seit ihrer Jugend kennt, einen größeren Krug erwerben. Als der 100 Pfund für etwas wollte, was einem Zyprioten sonst etwa 20 kosten würde, bekam sie auf ihre erstaunte Frage die Antwort: "Aber die Fremden zahlen das dafür; warum sollte ich es dir billiger geben?" Einmal am Tage mindestens fällt mir das schön drastische Beispiel ein, das mir meine Frau mal gab: "Wenn Du mal so richtig beschissen werden willst auf Zypern, dann kaufe ein Auto von deinem besten Freund."

Und man denke nicht, man sei im Kloster davor gefeit. In einigen Klöstern, wie Kykkos und Ayas Minas, werden von Mönchen bzw. Nonnen noch nach alter Tradition Ikonen gemalt, deren Verkauf zum Einkommen der Klostergemeinschaft beiträgt. Im letztgenannten zahlte ich für eine, wohlgemerkt meisterhaft gemalte, Madonna mit stehendem Jesuskind das Doppelte von dem, was einem Zyprioten für das gleiche Motiv abverlangt wurde. Aber es gibt einige Sachen, in denen man ziemlich sicher sein kann, daß man später nicht von jemand anderem hört: "Dafür habe ich aber nur die Hälfte gezahlt." Vor allem die Silberschmiedearbeiten sind mit einem Preisschild ausgezeichnet und es gibt höchstens Mengenrabatt. Ob sie aber zu empfehlen sind ist eine andere Frage, denn sie sind Massenware mit ewig denselben Motiven, der Widder, der Umriß der Insel Zypern usw. Wirklich handwerklich hervorragende, individuell angefertigte Silberschalen gibt es allerdings auch, aber die muß man suchen. Rotzides in der Socratous-Straße in der Altstadt ist solch ein Ort. Dort wird vor Ort geschmiedet und man kann bei der Herstellung des Stückes zusehen, das man eventuell später erwirbt.

Ruinen von Häusern türkischer Flüchtlinge
Ruinen von Häusern türkischer Flüchtlinge

Die nun zum Schluß zu erwähnende Sache ist Spezialisten vorenthalten, und zwar den Philatelisten, oder demjenigen, der einem solchen eine Freude machen will. Zur preislichen Orientierung hat man hier wenigstens den Katalog. Den sollte man sich immer zeigen lassen, wenn man Briefmarken für mehr als nur ein paar Mark kauft, da auch hier Preise je nach Händler ungeheuer schwanken. Keiner der drei in Nikosia anzutreffenden Briefmarkenhändler ist dies ausschließlich. Einer an der Constantinos Paleologos existiert vorwiegend vom Verkauf von Schreibwaren. Er ist gut sortiert, aber seine Preise erinnern an besagte Autohändler. Ein weiterer findet sich in der Mitte von Laiki Yitonia, vorwiegend Ansichtskarten (das beste Sortiment in der ganzen Stadt), Landkarten, Stadtpläne anbietend, kann man aber auch bei Briefmarken auf seine Kosten kommen. Der dritte liegt abseits, Richtung Roccas, hinter dem Holiday Inn. Er arbeitet vollzeit in einem Büro und hat so nur Mittwoch nachmittags geöffnet. Er ist der einzige, der nur Briefmarken, Münzen und Zubehör verkauft.

Während die Marken aus den ersten Jahren nach der Unabhängikeit schon etwas mehr finanziellen Einsatz verlangen, ist das bei den späteren Marken nur bei einigen Einzelstücken der Fall. Alle Händler bieten Jahrespackungen an, ebenso Ersttagsbriefe, die 1965 eingeführt wurden.

Kostspieliger bis nahezu unerschwinglich sind die Marken aus der Kolonialzeit. Die nach Machtübernahme durch die Briten 1881 eingeführten Briefmarken, die jetzt den Namen Cyprus als Bestandteil der Gesamtgestaltung trugen, ausschließlich mit den Profilen britischer Majestäten versehen: Königin Victoria, König Edward VII. und George V. Von daher eher langweilig werden doch einige Werte durch ihre kräftigen, leuchtenden Farben ganz attraktiv, während die hohen Preise dies doch wieder relativieren.

Diese Serie der Köpfe wurde erst 1928 zum 50jährigen Jubiläum der britischen Kolonialzeit durch eine Serie von 10 Marken abgelöst, die Motive abbilden, die sich auf die Insel beziehen und graphisch so ansprechend sind, daß sie sicher zu den ästhetischen Schätzen der Philatelie gehören. Postalisch wurde die Zeit der Unabhängigkeit auch noch mit Marken der Kolonialzeit eingeleitet, aber dem Überdruck "Republik Zypern" in griechischer und türkischer Sprache. Diese Marken sind zu noch erschwinglichen Preisen im Handel.

Ein typisch Nicosianisches Souvenir dürfte schwer zu finden sein. Der Verkauf der Mauer bzw. des Zaunes hat noch nicht eingesetzt und wird wohl auch in absehbarer Zeit nicht erfolgen. Erstens hat sie nach wie vor ihre unerbittliche Bedeutung und deshalb und das ist zweitens darf man ihr, abgesehen von der Ledrastraße, wo sie ja touristische Funktion hat, nirgends zu nahe kommen. Dies wird von den Wachposten unter Umständen recht energisch unterbunden, ebenso wie das Fotografieren, auf dessen Verbot überall Schilder hinweisen.

Und welche Konsequenzen das Überschreiten dieser Mauer auch auf legale Weise haben kann, wird mir zur Zeit sehr deutlich gemacht. Abgesehen davon, daß es überhaupt interessant ist, ab und zu in den Norden, also die "occupied Areas" zu gehen, weil es geruhsamer ist, nicht so hektisch, so verstunken, so häßlich, und die Menschen auch freundlicher, viel freundlicher sind, ist es für mich als Turkologen eine wissenschaftliche Pflicht, mit dem Kulturbetrieb dieses Volkes in Kontakt zu bleiben. Nachdem ich zweimal drüben war, einmal aus dem oben beschriebenen Grund und dann auch um die Buchläden nach interessanter Literatur zu durchforsten, wollte ich einmal erfahren, wie das offiziell gesehen wird. Hätte ich das lieber nicht getan! Vom Vize-Rektor, der spontan ablehnend reagierte, als ich ihm mitteilte, daß ich aus rein beruflichen Gründen in den "besetzten Teil" Nikosias gehen wolle, bekam ich nach einer längeren Diskussion, mein Anliegen dem Rektor und dem Senat schriftlich vorzutragen, was dann auch geschah. Die Antwort kam schnell, aber nicht schriftlich, sondern telefonisch, vom Vize-Rektor. Er teilte mir mit, daß "man" entschieden habe, daß ich nicht gehen solle, weil das "negative Folgen" haben könne. Nun, eben diese Antwort hatte ich wortgleich schon einmal bekommen, vom "Head of the Department" und so versuchte ich nachzuhaken. Mit welchen Schwierigkeiten ich denn rechnen müsse, vielleicht sei die Verlängerung meines Vertrages gefährdet. Nein, nein, mir könne gar nichts passieren. Aber die Universität könne in Schwierigkeiten kommen. Wer das denn gesagt habe? Das sei ihnen mitgeteilt worden! Von wem denn? Schweigen. Jedenfalls sei man überein gekommen, es sei besser, wenn ich nicht ginge, da die "besetzten Gebiete" nicht anerkannt. Ja, ja, das sei mir ja alles bekannt, darum geht es ja. Bei all diesen merkwürdigen Antworten fühle ich mich wie zu Zeiten des Stalinismus, sagte ich. Pikiertes Schweigen, dann die Äußerung, daß das ja wohl nicht das Gleiche sei. Gefühlt habe ich mich aber ebenso, sagte ich.

Die deutsche Botschaft gab mir die klare Auskunft, daß mich bei der rechtlichen Situation niemand daran hindern dürfe, in den Norden zu gehen, man könne mich aber natürlich nicht vor möglichen Schikanen schützen. Hilfreich bot man mir an, mir wissenschaftliches Material aus dem Norden zu beschaffen, wofür ich sehr dankbar war und worauf ich sicher zurückkommen werde.



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