Land ohne Lächeln

Das andere Zypern

Vorwort


"Zypern, die Insel der Aphrodite und der Liebe ist eine Labsal für Körper und Seele. Hier werden die Menschen älter als anderswo. Liegt es an der reinen Luft oder am guten Wein? Die Zyprioten neigen dazu es letzterem zuzuschreiben". So stand es neulich im Reiseteil einer deutschen Illustrierten zu lesen. Zu erklären ist soviel Unsinn in so wenigen Zeilen vielleicht durch Ignoranz oder, vielleicht auch und, der Einladung des Journalisten durch das zypriotische Tourismusministerium. Wer einmal in der verpesteten Luft Larnakas oder Limassols fast erstickt ist, hat einen anderen Eindruck. Und wer vielleicht in der englischsprachigen Presse der Insel gelesen hat, wie ungesund die Bevölkerung sich ernährt und wie stark dadurch bedingte Herzkrankheiten das Leben der Zyprioten immer mehr verkürzen, durchschaut auch den zweiten Teil des Märchens. Und apropos Ernährung. Wein wird in Zypern vor allem für den Export und die z.Z. etwa zwei Millionen Touristen im Jahr gekeltert. Die Zyprioten trinken zum Essen Brandy in Gesellschaft, zu alltäglichen häuslichen Malzeit Bier und ansonsten Wasser, aber kaum jemals Wein.

Es gibt wohl kaum ein zweites Land, das von so vielen Touristen besucht wird und das dennoch so unbekannt geblieben ist, über das so viele falsche Informationen verbreitet werden wie Zypern. Selbst die einfache Tatsache, daß es sich um einen selbständigen Staat handelt, dessen größerer südlicher Teil von Griechen und dessen kleinerer nördlicher Teil fast ausschließlich von Türken bewohnt ist, ist vielfach unbekannt. Daß der nördliche Teil Wert darauf legt, ein vom griechischen Süden unabhängiger Staat zu sein, was aber international -außer von der Türkei- nicht anerkannt wird, ist dann der Beginn endgültiger Verwirrung. Und Touristen, die sich auf sogenannte Informationen von griechischer Seite einlassen, merken in der Regel nicht, daß sie Opfer einer zielgerichteten Desinformation sind.

Mancher erfreulichere Auslandsaufenthalt hätte mir Anlaß sein können, mich an den Schreibtisch zu setzen. Das knappe Jahr der Tramp-Reise rund ums Mittelmeer -durch die meisten arabischen Staaten zum Beispiel, oder die Aufenthalte in Zentral- und Südasien, mit den Durchquerungen des Hindikusch, den Begegnungen mit Nomaden, das Leben mit Babaji, dem Yogi auf dem Friedhof in Lahore und vieles vieles andere. Wenn mich nun ausgerechnet der mehrjährige Aufenthalt in einem relativ europäischen Land veranlaßt, die Feder zu spitzen, so liegt der Grund eben darin, daß mir bei der Lektüre oben genannter dummerhafter Art immer wieder die Haare zu Berge stehen. Immerhin -das sei hier in allergrößter Bescheidenheit angemerkt- bekleide ich hier den Posten eines "assistant professor" im Institut für Turkologie an der Universität Zypern, und da kann ich natürlich nicht ständig wie ein Igel rumlaufen. Zunächst sollte der jetzige Untertitel "Das andere Zypern" der erste Titel sein. Gemeint ist damit dasjenige Zypern, das der Tourist normalerweise nicht oder nur wenig kennenlernt, mit anderen Worten, den Alltag auf der Insel, oder wenigstens einige Ausschnitte daraus. Die unvermeidliche Mißverständlichkeit dieses Titels, nämlich, daß das Buch ausschließlich über den türkischen Norden handeln könne, war bewußt in Kauf genommen, da er vielleicht ein paar mehr potentielle Leser veranlassen könnte, das Buch mal in die Hand zu nehmen.

Den jetzigen Titel "Land ohne Lächeln" hat meine Frau zu verantworten. Nach der Rückkehr von einer Reise -ich erinnere mich nicht mehr wohin- fragte meine Frau mich, ob mir eigentlich mal aufgefallen sei, wie ernst und freudlos, ja meist verbissen die Menschen auf Zypern seien, verglichen mit Menschen in anderen Ländern. Kaum ein Lächeln, kein freundliches Wort. Ja, es war mir aufgefallen, nicht nach den ersten Tagen im Hotel in Larnaka, aber nach der ersten Woche in Nikosia schon. Erklärungen für dieses Phänomen wird der Leser während der Lektüre zur Genüge finden. Im Zusammenhang damit steht auch ein gewisser ironischer Ton, der Passagenweise durchscheint. Der Grund, warum der Autor sich dem nicht entziehen konnte, wird sich dem Leser mit jedem weiteren Kapitel -hoffentlich- erschließen.



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